Tagebuch schreiben - Wie es dir hilft
- Melanie Reincke
- 9. Sept. 2021
- 7 Min. Lesezeit
Hast du als Kind Tagebuch geschrieben oder schreibst vielleicht noch heute? Häufig haben gerade Mädchen in ihrer Kindheit und Jugend das Bedürfnis, sich ihrem Tagebuch anzuvertrauen. Heute erzähle ich dir, warum du auch im Erwachsenenalter dein Tagebuch nicht vernachlässigen solltest.

Vorteile des Tagebuchschreibens
Selbstfürsorge
Falls du noch nie etwas von Selbstfürsorge gehört hast, hört sich der Begriff im ersten Moment vielleicht etwas fremd und ungewohnt für dich an. Selbstfürsorge bedeutet, auf sich zu achten und sich etwas Gutes zu tun. Und genau das machst du auch beim Tagebuch schreiben. Du nimmst dir bewusst Zeit für dich und bist in diesem Moment nur bei dir und dem, was du gerne aufschreiben möchtest. Diese bewussten Momente helfen dir dabei, zur Ruhe zu kommen und dich besser zu fühlen.
Sich besser kennenlernen und verstehen
Wie gut kennst du dich? Reagierst du in bestimmten Situationen immer wieder ähnlich und nach einem bestimmten Muster? Oder gerätst du immer wieder in ähnliche Situationen, in denen du zum Beispiel unzufrieden oder unglücklich bist?
Wenn du über einen längeren Zeitraum Tagebuch schreibst, kannst du solche Muster und Verhaltensweisen viel besser erkennen. Du kannst dir vielleicht sogar überlegen, wie du zukünftig in einer bestimmten Situation lieber reagieren möchtest, das dann ausprobieren und deine Erfahrungen in deinem Tagebuch festhalten.
Vielleicht hat es auch bestimmte Hinweise gegeben, es hat sich dein Bauchgefühl gemeldet, ehe du in eine bestimmte Situation geraten bist. Beobachte dich, schreibe es dir auf und du kannst so beim nächsten Mal viel besser auf solche Zeichen achten.
Auf diese Weise lernst du dich mit der Zeit immer besser kennen und verstehen.
Wiederkehrende Themen identifizieren
Vielleicht hast du auch Themen oder bestimmte Gedanken, die dich immer wieder beschäftigen, manchmal sogar ohne dass es dir wirklich bewusst ist, dass es sich um wiederkehrende Gedanken handelt. Themen, die sich über die Monate oder Jahre hin und wieder bei dir melden und aus dem Unterbewusstsein hoch kommen.
Gerade in Stresssituationen können solche Themen verstärkt auftauchen und dir so das Leben zusätzlich schwer machen. Durch das Tagebuch schreiben kannst du leichter feststellen, in welchen Situationen welche Themen kommen. Du kannst diese wiederkehrenden Themen besser identifizieren und dadurch erkennen, ob es sich vielleicht lohnt, sich mit einem Thema tiefergehend zu beschäftigen.
Ideen & Lösungsmöglichkeiten schriftlich festhalten
Ein Tagebuch ist auch ein idealer Ort, um deine Ideen darin festzuhalten. Alles, was dir einfällt und du nicht vergessen möchtest. Ganz egal, ob es Ideen für kreative Projekte sind, Ideen, wohin du gerne einmal verreisen würdest oder deine Träume, wie du gerne leben möchtest.
Du kannst dein Tagebuch aber auch nutzen, um Lösungsmöglichkeiten für Probleme festzuhalten. Entweder potenzielle Lösungsmöglichkeiten oder Dinge, die du bereits ausprobiert hast.
So wird dein Tagebuch mit der Zeit eine Quelle der Inspiration für dich.
Persönliche Entwicklung und Erfolge dokumentieren
Manchmal sind wir unzufrieden mit unserer aktuellen Situation. Wir haben das Gefühl, wir treten auf der Stelle. Das, was wir gerne erreichen möchten, ist vielleicht noch viel zu weit weg. Oder die vor uns liegende Aufgabe erscheint so groß, dass wir befürchten, sie nicht bewältigen zu können.
Dabei haben wir alle in unserem Leben schon so viel erreicht. Wir haben laufen gelernt, sprechen, schreiben, lesen, eine Ausbildung oder ein Studium absolviert, vielleicht eine Familie gegründet, haben uns viele weitere Fähigkeiten angeeignet, indem wir unseren Hobbys nachgehen und hatten vor allem so viel Durchhaltevermögen, um an all dem zum Teil über lange Jahre dran zu bleiben... Wir machen uns das nur viel zu selten bewusst.
Wenn du über einen längeren Zeitraum Tagebuch schreibst und ein paar Monate oder ein, zwei Jahre zurück blätterst, wirst du dich wundern, was in der Zwischenzeit passiert ist, welche Aufgaben du gelöst und wie du dich weiterentwickelt hast.
Dies kann dir auch sehr gut helfen, falls du gerade mal wieder vor einer schier unlösbaren Aufgabe stehst. Schau dir deine Entwicklung und deine Erfolge an und du weißt, was du alles schaffen kannst.
Dankbarkeit praktizieren
Im Allgemeinen neigen wir Menschen dazu, uns mehr mit den negativen Ereignissen zu beschäftigen als mit den positiven. Das ist in unserem Gehirn so angelegt und hat früher unser Überleben gesichert, da wir so gelernt haben, auf Gefahren besser reagieren zu können.
Das hat unter anderem zur Folge, dass negative Ereignisse auch heute noch viel länger im Gedächtnis bleiben. Im Vergleich dazu verpuffen die Glücksmomente viel zu schnell. In der positiven Psychologie hat man herausgefunden, dass wir dadurch sehr viel mehr positive Gedanken und Erlebnisse benötigen, um ein einziges negatives Ereignis emotional ausgleichen zu können.
Generell, aber gerade in Zeiten, in denen du das Gefühl hast, dass alles in deinem Leben negativ ist und sich in die falsche Richtung bewegt, kann es sehr hilfreich sein, wenn du dir täglich die kleinen und großen Glücksmomente aufschreibst, zum Beispiel in Form eines Dankbarkeitstagebuchs.
Ein Dankbarkeitstagebuch kann dir auch helfen dich wieder besser zu fühlen, falls es dir einmal schlecht geht, indem du durch dein Tagebuch blätterst und dir die ganzen schönen Momente noch einmal in Erinnerung rufst.
Gedanken besser loslassen können
Kennst du das, wenn du einen bestimmten Gedanken im Kopf hast, der dich nicht mehr los lässt? Deine Gedanken kreisen dann ständig darum und du kannst dich nur schwer davon ablenken und auf etwas anderes konzentrieren.
In diesem Fall hilft es, den Gedanken aufzuschreiben und am besten auch alles, was du mit dem Gedanken verbindest, wie Ängste oder Sorgen.
Oft wirkt der Gedanke, wenn du ihn einmal aufgeschrieben hast auch gar nicht mehr so real und bedrohlich wie in deinem Kopf und es fällt dir dadurch leichter, ihn loszulassen.
Gedankenwirrwarr ordnen
Manchmal ist es auch nicht nur ein einzelner Gedanke, der uns nicht zur Ruhe kommen lässt, sondern es sind so viele verschiedene Gedanken, dass wir den Eindruck haben, es geht alles wild durcheinander. Das können dann Dinge sein, die uns Sorgen machen, aber auch Dinge, die wir unbedingt noch erledigen müssen oder Gespräche und Situationen, über die wir noch nachdenken.
Da hilft es am besten, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen - entweder gleich oder abends vor dem Schlafen gehen - und alles aufzuschreiben, was einem durch den Kopf geht. Das hilft wunderbar dabei, die Gedanken zu sortieren und mehr Ruhe und Klarheit zu bekommen.
Verschiedene Arten, wie du Tagebuch schreiben kannst
Schreiben zu unterschiedlichen Zeiten
Je nachdem, wie du dein Tagebuch gerne nutzen möchtest, kannst du deine Gedanken zu unterschiedlichen Tageszeiten oder auch nur dann aufschreiben, wenn es dir gerade danach ist.
morgens
Morgens Tagebuch zu schreiben, hilft dir, die Gedanken zu Tagesbeginn zu sortieren. Steht vielleicht ein besonderer Termin an, auf den du dich mental vorbereiten willst oder hast du nachts etwas geträumt, das dich noch beschäftigt? Morgens ist die beste Zeit, um diese Dinge aufzuschreiben, um gut vorbereitet in den Tag zu starten.
Machst du das Tagebuchschreiben zu einem Teil deiner Morgenroutine, hast du gleichzeitig auch noch ein paar Momente der Ruhe, ehe der Alltag beginnt.
abends
Schreibst du abends Tagebuch, hat es den Vorteil, dass du dir Zeit nimmst, deinen Tag noch einmal Revue passieren zu lassen. Du kannst schwierige Gedanken vor der Nacht loslassen und darauf vertrauen, dass sich dein Unterbewusstsein in der Nacht damit beschäftigt.
täglich
Wenn du täglich Tagebuch schreibst, kann das Schreiben mit der Zeit zu einer Routine werden, die dir Ruhe gibt und aus der du Kraft schöpfen kannst.
je nach Bedürfnis
Wenn du feststellst, dass dir das Tagebuchschreiben gut tut, dir das tägliche Schreiben aber zu viel wird, dann schreibe doch einfach in den Momenten, in denen es dir ein inneres Bedürfnis ist. Es ist dein Tagebuch und du alleine entscheidest, was und wann du deine Gedanken darin festhältst.
bei wichtigen Ereignissen
Hast du Erlebnisse, an die du dich gerne erinnern möchtest? Oft verblassen diese Ereignisse mit der Zeit oder verändern sich in der Erinnerung. Schreibe dir diese Momente auf und du hast jederzeit die Möglichkeit, sie noch einmal nachzulesen.
Schreibstile
Stichpunkte oder ausformuliert
Je nach Zeit und persönlichem Geschmack kannst du dein Tagebuch in Stichpunkten schreiben oder die Sätze ausformulieren. Wichtig ist es, so zu schreiben, wie es dir gefällt und für dich hilfreich ist. Falls du dir nicht sicher bist, probiere es doch einfach mal aus.
Fragen stellen
Mit einer gut gestellten Frage erhält man meist auch eine gute Antwort. Versuche das doch auch einmal in deinem Tagebuch, zum Beispiel indem du dich fragst:
"Was beschäftigt mich gerade?"
"Für was bin ich gerade besonders dankbar?"
"Was war heute mein glücklichster Moment und warum?"
"Was war heute mein negativster Moment?"
"Welche Möglichkeiten gibt es, solche Momente zukünftig zu vermeiden oder besser mit ihnen umzugehen?"
Überlege dir gerne weitere für dich passende Fragen.
Affirmationen
Affirmationen bieten eine gute Möglichkeit, dir zum Beispiel bei Veränderungen oder Selbstzweifeln immer wieder Mut zuzusprechen oder dich bei deiner persönlichen Weiterentwicklung zu unterstützen. Überlege dir dafür Sätze, die für dich in der jeweiligen Situation stimmig und positiv formuliert sind. Das können Sätze sein wie:
"Wenn Probleme auftreten, finde ich Möglichkeiten, sie zu lösen."
"Ich kann mich auf mich und meine Fähigkeiten verlassen."
Versuche, einen für dich passenden Satz - oder vielleicht auch mehrere - zu finden, die du dir aufschreibst und regelmäßig wiederholst. Versuche in diesem Moment auch wirklich die Zuversicht in dir zu fühlen und spreche den Satz am besten auch öfter laut aus.
Dankbarkeitstagebuch
Ein sogenanntes Dankbarkeitstagebuch zu führen hilft dir dabei, bereits über Tag immer mehr auf die schönen Momente und auf die Dinge zu achten, für die du dankbar bist, um sie dann abends in dein Tagebuch zu schreiben.
Das müssen auch keine großen Glücksmomente sein, wie etwa ein Urlaub. Im Gegenteil. Viele kleine Glücksmomente sind hier besser, als ein großer. Das kann zum Beispiel sein, dass dich jemand auf der Straße anlächelt, dich jemand an der Kasse vorlässt, du gemütlich auf der Couch einen Kaffee oder deinen Lieblingstee bei einem guten Buch genießt, du jemandem ein Kompliment machst, der sich darüber freut oder dass nach drei Tagen Regen mal wieder die Sonne scheint.
Damit das Dankbarkeitstagebuch gut wirken kann, ist es hilfreich, dass du dich beim Aufschreiben noch einmal in die Situation hinein fühlst und die Momente noch einmal durchlebst.
Du kannst auch entscheiden, ob du ein reines Dankbarkeitstagebuch schreiben möchtest, falls du keine Lust hast, weitere Gedanken in deinem Tagebuch festzuhalten oder du nutzt dein normales Tagebuch und schreibst dir die Punkte, für die du dankbar bist, zusätzlich auf.
Das 6-Minuten-Tagebuch*
Vielleicht hast du schon einmal vom 6-Minuten-Tagebuch gehört. Diese Art des Tagebuchschreibens fasst einige der hier beschriebenen Methoden jeweils für einen Tag zusammen. Dabei werden auch immer wieder neue Fragen gestellt, über die es sich lohnt nachzudenken und seine Gedanken dazu aufzuschreiben.
Falls du gerne einmal eine etwas andere Möglichkeit des Schreibens ausprobieren möchtest, kann ich dir dieses Tagebuch als Einstieg empfehlen, um dann mit der Zeit deinen ganz persönlichen Stil und deine individuellen Fragen zu finden, die dich durch dein Tagebuch begleiten.
Schreibst du auch Tagebuch oder hast wieder Lust dazu bekommen?
Inzwischen schreibe ich wieder - meist regelmäßig - Tagebuch. Die vielen Vorteile haben mich überzeugt und mir ist es oft ein Bedürfnis, meine Gedanken und Erlebnisse festzuhalten. Wie mein Tagebuch aussieht und welche Erfahrungen ich bis jetzt damit gesammelt habe, davon berichte ich dir demnächst.







Vielen Dank für diesen ausgezeichneten Beitrag! Die Art und Weise, wie die Fakten präsentiert werden, ist sowohl wissenschaftlich fundiert als auch leserfreundlich. Das hat mich wieder einmal darin bestärkt, dass es wichtig ist, proaktiv zu handeln und nicht zu warten, bis man sich überfordert fühlt. Regelmäßig den eigenen emotionalen Zustand überprüfen zu lassen, sollte zur Routine gehören. Der DASS-21 ist ein schnelles und zuverlässiges Werkzeug dafür. Eine Plattform, die ich empfehlen kann, bietet diesen Test an und hilft den Nutzern, ihre Ergebnisse im Kontext zu verstehen.